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Ist nach dem Lock-Down vor dem Lock-Down?

COVID-19 war die am besten vorausgesagte Superkrise von allen, sagt der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx. Tatsächlich erreichten uns in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Warnungen: Seit 1997 wissen wir, dass die Vogelgrippe (Influenza H5N1) auf Menschen überspringen kann, eine erste (kleine) Pandemie folgte mit SARS-1 2002 – 2003, der Erreger MERS-CoV wurde 2012 entdeckt, dann der große Ausbruch von EBOLA 2014/2015 – in Wahrheit bis heute eine Seuche in Westafrika. Also tatsächlich, die große Pandemie war in einer völlig irrational hypermobilen Gesellschaft, in einer Gesellschaft, die ohne „Ballermann“, sei der nun auf Mallorca, in Ischgl oder an der Adria, nicht auszukommen scheint, nur eine Frage der Zeit.

Wir alle haben in den letzten Jahren Nachrichten gehört und Zeitungen gelesen. Die Meldungen über die rasche Verbreitung von Infektionskrankheiten haben wir weitgehend ignoriert. Wir, das sind die Mediziner und die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, aber auch das gesellschaftliche, das wirtschaftliche und das politische Establishment, und damit wir alle, Bürger, Wähler und Steuerzahler. Haben wir wenigstens im Sommer 2020 daraus gelernt? Waren wir auf den Herbst so vorbereitet wie wir es hätten sein sollen? Nein, ganz offensichtlich nicht. Den zweiten harten Lock-Down konnten wir in Österreich genauso wie in ganz Europa nicht vermeiden.

Die Notmaßnahmen der Bundesregierung im November 2020 erfolgten aus der Perspektive der Krankenhäuser tatsächlich noch in letzter Minute. Nach wie vor ist die Spitze der Auslastung der Intensivbetten in Österreich noch immer nicht erreicht. Aus heutiger Sicht wird es sich im Landesklinikum Korneuburg-Stockerau hinsichtlich der Patientenbelegung mit COVID-PatientInnen haarscharf ausgehen. Insgesamt 60 stationäre Betten mussten in den vergangenen Wochen für COVID-PatientInnen reserviert werden und wurden auch tatsächlich benötigt. Einzelne IntensivpatientInnen mussten wir wegen Überlastung unserer Einheiten in andere Landeskliniken verlegen – und ja, für einige Betroffene ist es eine lebensbedrohende Erkrankung. Leider haben wir den Kampf um das Leben unserer PatientInnen auch mehrfach verloren.

Unsere MitarbeiterInnen haben in den letzten Wochen Unglaubliches geleistet und wir können uns dafür nur bedanken, ebenso wie bei den Kollegen und Kolleginnen bei den mobilen Diensten und den Behörden.

Die bevorstehende Adventzeit mit ihren Punschständen, Weihnachtsmärkten und Einkaufstagen bereitet uns große Sorgen. Wenn wir alle gemeinsam einen weiteren Lock-Down nach den Feiertagen im Jänner 2021 vermeiden wollen, wenn auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen die mehr als verdiente Zeit der Entspannung und Erholung vergönnt werden soll, dann gilt es in den nächsten Wochen mit Umsicht und Besonnenheit vorzugehen, die Regeln einzuhalten und soziale Kontakte auf das Notwendigste zu beschränken.

Jede vermiedene Infektion hilft uns. Und nur wenn Sie uns helfen, sind wir in der Lage Ihnen zu helfen, wenn Sie uns brauchen.

 

Dr. Rainer Ernstberger, MSc, MBA              DGKP Erich Glaser, akad.gepr.KH-Manager

Ärztlicher Direktor                                          Pflegedirektor