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Täglich laufen? Ein Bericht über Sinn oder Unsinn nach 100 Tagen Selbstversuch

Streakrunnig ist der englische Begriff für täglich laufen, was frei übersetzt „Streifen laufen“ bedeuten würde. Einerseits bezieht es sich auf den Umstand dass wir streaker „streifend“ durch die Landschaft ziehen. Andererseits bezieht es sich auf die täglichen Streifen (Laufstrecke) die aneinandergelegt ein möglichst langes Band ergeben. Ziel ist es eine Streak möglichst lange ohne Unterbrechung zu schaffen. Laut Regelwerk der USRSA (United States Running Streak Association, Inc.) muss zwischen 0:00 und 24:00 Uhr eines Tages eine Minimalstrecke von 1,6 km (1 Meile) gelaufen werden damit die streak weiterhin gilt. Kontrolliert wird das natürlich von niemanden weil das unmöglich wäre. Wir streaker unterwerfen uns einem Ehrenkodex und dokumentieren unsere Läufe mittels Lauftagebücher. Läuft man einen Tag diese Mindeststrecke nicht beginnt die streak bei Null.

Heute hatte ich das Glück just bei meinem kleinen Jubiläum von 100 Tagen, gemeinsam mit vier Laufkumpel laufen zu dürfen. Ansonsten laufe ich seit Beginn der streak sehr oft alleine weil es aus Zeitgründen manchmal nötig ist an unüblichen Tageszeiten (4:30 morgens...) zu laufen.

Wie kommt man auf diese, für die meisten Menschen, abartige Idee täglich laufen zu wollen. In meinem Fall war es wieder einmal Norbert Horak welcher mir bei einem gemeinsamen Lauf von dieser Sache erzählte. Subjektiv hatte ich tatsächlich sehr oft den Eindruck dass ich nach einigen Tagen Laufpause schwerere Beine hatte als zuvor. Öfters dachte ich schon das es besser wäre anstatt eines oder mehrerer lauffreier Tage lieber kurze ruhige Läufe zur Regeneration einzuschieben.

Der erste Tag

Der Gedanke lies mich nicht mehr los und so beschloss ich ab 20. Februar diesen Jahres einen Selbstversuch zu starten. Damit meine Motivation möglichst lange anhalten möge, registrierte ich mich bei einem sozialen Netzwerk in Deutschland welches ausschließlich von streakrunnern besucht wird. Parallel dazu führe ich mein gewohntes Lauftagebuch weiter. Außerdem stellte ich meine Anfangsgewicht fest damit ich beobachten konnte wie schnell und vor allem wie viel ich an Gewicht verliere. Zu der Zeit war ich in Villach und dort lag heuer extrem viel Schnee was die Sache nicht einfacher machte.

Tagespensum

Beim streaken kommt es überhaupt nicht darauf an möglichst viele Kilometer zu absolvieren. Die meisten Mitglieder unseres Laufforums laufen im Schnitt zwischen 4 und 9 km pro Tag. Speziell am Anfang ist man gut beraten wenn man es etwas langsamer angeht mit seinen täglichen Läufen. Ist aber gar nicht so einfach weil man ja am Beginn einer neuen Sache immer sehr enthusiastisch ist. Natürlich kommt es darauf an wie lange man den Laufsport schon betreibt und wie viele Kilometer man pro Woche schon beim Einstieg ins streaken gewohnt war zu laufen. In unserem Forum gibt es einen Läufer der schon über 500 Tage im streak ist und ein Tagespensum von durchschnittlich 21,67 km hat! Das bedeutet der Mann läuft schon seit fast zwei Jahren jeden Tag im Durchschnitt einen Halbmarathon.

Regeneration

Das ist einer der häufigsten Fragen welche im Zusammenhang mit täglichen Laufen gestellt wird. Beinahe jeder Sportmediziner wird darauf antworten dass eine Regenerationsphase innerhalb eines Trainingsprogramms erst den erwünschten Effekt der Steigerung bringt. Das ist auch unbestritten so aber dem stelle ich entgegen dass ein kurzer Dauerlauf von ein paar Kilometer im Bereich von 60 % der Leistungsfähigkeit der Regeneration nicht entgegensteht. Viel erfahrene streaker schreiben in ihren Berichten dass sie im Laufe der Zeit durch das tägliche Laufen viel sensibler auf Signale ihres Körpers wurden. Niemand kann jeden Tag volles Programm fahren ohne irgendwann die Rechnung dafür zu bekommen.

Sinn

Ein bisschen verrückt muss man schon sein um so etwas zu machen aber irgendeinen Vogel haben wir ja alle, oder? Jedenfalls hat das tägliche Laufen den großen Vorteil dass man sich nicht mehr fragt ob man läuft sondern nur mehr wann. Die Frage nach dem „wann“ ist jedenfalls eine sehr zentrale bei der Planung des Tagesablaufes. Jeden Tag macht man sich aufs Neue Gedanken wo sich nun das Zeitfenster befindet an dem man seinen Lauf erledigen kann. Und manches Mal ist es wirklich nur eine „Erledigung“ weil man aus Zeitgründen oder einfach aus Gründen der Erschöpfung nur ein Minimalprogramm von 2 km erledigt. In den vergangenen 100 Tagen habe ich dieses Gefühl aber erst zwei Mal gehabt. Ich glaube da liegt das große Potential des streakens weil man nach einiger Zeit schon sehr stolz auf seine Leistung ist und man keinesfalls die streak reißen lassen möchte. Ansonsten findet man ja gerne willkommene Ausreden um sich vor dem Laufen drücken zu können. Nach 100 Tagen habe ich in Summe 8 kg an Körpergewicht verloren was mich wirklich sehr freut weil ich beim Essen auf nichts verzichte. Alleine deshalb lohnt es sich weiter zu machen. An fast jeden Tag freue ich mich schon auf meinen täglichen Lauf was die Sache sehr leicht macht.

Streaken als Wettkampftraining

Auch bei diesem Thema gibt es bei uns im Forum die unterschiedlichsten Zugänge. Die meisten streaker laufen fast keine Wettkämpfe und sind eher reine Genussläufer. Ein Teil davon läuft aber schon bei Wettkämpfen mit und erzielt sehr gute Leistungen. Es gibt auch einige Ultraläufer unter uns die wirklich sehr gute Leistungen erbringen. Ich denke nicht dass das streaken einen negativen Einfluss auf die Wettkampfleistungen hat, wenn man es richtig und sensibel betreibt. Ich selbst habe im Laufe meiner streak an zwei 6 Stundenläufe teilgenommen welche ich, innerhalb meiner Möglichkeiten, sehr gut bestritten habe. Beim letzten 6 Stundenlauf vor zwei Wochen habe ich sogar persönliche Bestleistung aufgestellt. Ich fühle mich momentan so stark wie nie zuvor und das führe ich auch auf das streaken zurück. Gleichzeitig habe ich auch begonnen nach jedem Lauf konsequent zu dehnen was mir auch sehr viel bringt.

Wann endet die streak?

Jeder von uns ist bestrebt seine persönliche streak solange wie möglich aufrecht zu erhalten. Es gibt aber Umstände die ein Ende einer langen Serie erzwingen. Eine schwere Krankheit mit Fieber ist jedenfalls ein Grund auf das Laufen zu verzichten weil unsere Gesundheit das höchste Gut ist. Die meisten streaker haben schon einige längere Serien vorzuweisen und haben nach Ende eines streak wieder von vorne begonnen. Ron Hill aus England läuft seit 1964 jeden Tag und ist damit der König aller streaker. Bis zum Jahr 1991 trainierte er sogar von Montag bis Samstag zwei(!!)mal und am Sonntag „nur“ einmal pro Tag. So schlecht kann dann streaken jedenfalls nicht sein weil Hill drei Mal bei olympischen Spielen teilnahm und Klassiker wie den Marathon in Boston gewann und 1969 sogar Marathoneuropameister wurde. Aber das sind absolute Ausnahmeathleten mit denen wir uns keinesfalls vergleichen wollen. Trotzdem hat Hill sehr eindrucksvoll bewiesen dass das streaken sich mit Leistungssport verträgt.

Fazit

Steakrunning kommt meiner Meinung nach für alle Läufer/innen in Frage. Wenn man nur das Minimalprogramm von 1,6 km machen möchte (wird sowieso mehr...) braucht man mit umziehen und duschen nur 30 Minuten pro Tag. Ich denke dass das eine Zeitspanne ist die auch gestresste Supermanager für ihre Gesundheit aufwenden sollten.

Ich persönlich habe seit Beginn meiner streak 1230 km zurückgelegt. Das bedeutet ich laufe pro Tag im Schnitt etwas über 12 km. Ich habe aber auch Wochen an denen ich auf knapp 120 km komme. Dafür trete ich nach Wettkämpfen eben kürzer und laufe nur 50 km. In Summe ist das streaken für mein Leben eine Bereicherung und keine Belastung im negativen Sinn. Vielleicht ändert sich diese Einstellung wieder aber jetzt tut es mir und meiner Leistungsfähigkeit sehr gut.

Ich werde weiterhin Buch führen und meine Beobachtungen nach einem längeren Zeitraum wieder an euch weiter geben.

In diesem Sinne

gut Lauf

Ewald Kainzbauer