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Was bedeutet TTIP für kleinere und mittlere Unternehmen?
Was bedeutet TTIP für kleinere und mittlere Unternehmen?
BefürworterInnen des Handelsabkommens TTIP stellen gerne dessen vermeintlichen Wachstums‐
chancen für unsere Volkswirtschaft und die positiven Signale auf den Arbeitsmarkt heraus.
Seit mehreren Monaten werden auch die positiven Auswirkungen von TTIP für kleine und mittlere
Unternehmen beschworen (Handelskommissarin Cecilia Malmström).
Im Jahr 2012 gab es mehr als 313.700 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Österreich. Sie
stehen für 60 Prozent der Bruttowertschöpfung, 99,6 Prozent der Betriebe und 66,8 Prozent der
Beschäftigten in Österreich (alle Daten aus dem Mittelstandsbericht 2014 des BMWFW).
Wenn Wachstum durch TTIP generiert wird, dann kommt er nur durch Umschichtungen innerhalb der Wirtschaft.
Bei den Spitzenreitern der exportorientierten Wirtschaftszweige Bergbau, Energie‐ und Wasser-versorgung sowie Herstellung von Waren, welche für etwa 31 Prozent der österreichischen Bruttowertschöpfung stehen,
sind nur 9,25 Prozent der KMU vertreten, während 44,7 Prozent aller großen Unternehmen in
diesem Sektor tätig sind.
Wenn überhaupt exportiert nur eine geringe Anzahl von KMU`s.
Effizienzgewinne sind nicht zu erwarten, weil in den USA und der EU
schon gegenwärtig effizient und rationell produziert und gehandelt wird.
Andererseits konnte im Lebensmittelsektor im Jahr 2012 ein Handelsbilanzüberschuss von
23 Milliarden Euro erzielt werden. In diesem Lebensmittelsektor ist die USA der größte
Handelspartner, und das Handelsvolumen kann auch ohne TTIP imposante Wachstumsraten aufweist.
Hoch spezialisierte KMU konzipieren individualisierte Produkte für spezifischen KundInnenbedarf. Dabei sind hohe Entwicklungskosten unausweichlich. Maßgeschneiderte Lösungen haben ihren Preis,
der sich aber beim Abnehmer durch Effizienzgewinne rechtfertigt.
Lektionen aus dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) dass
Freihandelsverträge vom TTIP‐Typ in der Regel transnationale Unternehmen begünstigen und
KMU benachteiligen, zeigen auch die Erfahrungen mit dem Nordamerikanischen Freihandelsab‐
kommen NAFTA, das 1994 in Kraft trat.
NAFTA wurde damals als neues Modell angepriesen und tatsächlich ist es das Modell für die nachfolgenden Verträge wie CAFTA-DR (Central American Free Trade Agreement-Dominican Republic, seit 2005), TPP (Trans-Pacific Partnership, bisher nur in geheimen Verhandlungen mit Vertretern von Konzernen aber nicht in der Öffentlichkeit) und jetzt TTIP.
In den 20 Jahren seither hat sich in Kanada der Anteil der
größten börsennotierten Konzerne an den Gesamtprofiten annähernd verdoppelt, während sich
wichtige gesamtwirtschaftliche Indikatoren im gleichen Zeitraum halbierten. Der Exportanteil von
KMU aus den USA in die NAFTA‐Staaten reduzierte sich zwischen 1996 und 2012 von 15 Prozent
auf 12 Prozent, während Großunternehmen ihren Anteil ausbauen konnten.
Negative Auswirkungen durch Öffnung kommunaler Vergabepraxis.
Mit Blick auf das zu erwartende Diskriminierungsverbot bei der kommunalen Auftragsvergabe ist damit zu rechnen, dass die Vergabepraxis sich zum Nachteil der KMU verändern wird. Die Beteiligung an solchen Ausschreibungen ist für viele KMU aus logistischen und operativen Gründen schon jetzt nicht möglich
Investorenschutz ISDS benachteiligt inländische KMU.
Heimische KMU würden zudem gegenüber ausländischen Unternehmen in Österreich benachteiligt, da ihnen keine derartigen Sonderrechte zur Verfügung stehen. Das hätte gravierende Wettbewerbs
nachteile für sie.
http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/ttip/fallbeispiele_Schiedsgerichte_final.pdf
Erhebungen der Europäischen Kommission nehmen nur Exportchancen für KMU in den Blick, je‐
doch nicht Importrisiken. Vor kurzem veröffentlichte die EU‐Kommission die Ergebnisse einer
Befragung von europäischen KMU und die Exportbarrieren in die USA,
denen sich diese gegenübersehen.
Rund 800 KMU nahmen an der Befragung teil, das sind nur 0,0036 Prozent
Eine Werbestrategie die ausschließlich über Exportchancen spricht, jedoch mögliche Importrisiken für den Großteil der KMU unbenannt lässt bzw. verschweigt.
KMU an den Kriterien: MitarbeiterInnenzahl, Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme.
Es wird unterschieden:
Beschäftigte Jahresumsatz Jahresbilanz
Mittlere Unternehmen: < 250 < 50 Mio. € < 43 Mio. €
Kleine Unternehmen: < 50 < 10 Mio. € < 10 Mio. €
Kleinstunternehmen: < 10 < 2 Mio. € < 2 Mio. €
Europäische KMU im Welthandel
KMU spielen eine entscheidende ökonomische Rolle als Wachstumsmotor der EU im nicht finanzi‐
ellen Wirtschaftssektor. Insgesamt gab es 2012 mehr als 20,7 Millionen KMU in der EU. Sie reprä‐
sentieren mehr als 98 Prozent aller Unternehmen in der EU, beschäftigen 67 Prozent der Arbeit‐
nehmerInnen und erwirtschaften 58 Prozent der Bruttowertschöpfung.
Es ist also nicht verwunderlich, dass die Förderung von KMU zu einem wichtigen Teil der
europäischen Wirtschaftspolitik avanciert ist.
Befremdlich hingegen wirken Bemühungen, dies durch Maßnahmen zum Abbau von
Regeln des Welthandels – so wie es in den aktuellen TTIP‐ Verhandlungen angedacht wird – be‐
werkstelligen zu wollen. Von den mehr als 20,7 Millionen KMU in Europa exportieren rund
614.000 – also etwas mehr als 3 Prozent ‐ außerhalb der EU.
Handel exportieren
Dass die KMU im Handel mit den USA nur eine geringe Rolle spielen
(155.000 KMU in die USA) ‐ weniger als ein Prozent aller KMU in Europa.
Das heißt, dass mit steigender Unternehmensgröße die Anzahl an Unternehmen im Exportsektor
abnimmt, während die erwirtschafteten „Gewinne“ (genauer gesagt, der Anteil der Exportwert-schöpfung) steigen.
Es fällt somit mit steigender Unternehmensgröße mehr vom Kuchen für weniger Unternehmen ab.
Ausweitung des deregulierten Handels werden nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen und höheres Einkommen für alle, sondern zunehmender
Druck auf die Arbeitseinkommen durch zunehmenden Konkurrenzdruck und Auslagerung von Arbeitsplätzen in die kostengünstigsten Produktionsstätten nach sich ziehen.
Selbst der indirekte Nutzen als Zulieferer für „Global Player“ wird mit TTIP alles andere als leichter.
Bei eine freie Produktionsstätten Wahl steigt so mitunter der Preisdruck für heimische KMU,
da EU und US‐Konzerne oftmals (in Sektoren, die wenig auf FacharbeiterInnen angewiesen sind) der kostengünstigste Standort gewählt wird.
Große Unternehmen werden als Nettoexporteure auftreten, während KMU zu den Nettoimporteuren zählen.
Der Handels mit Drittstaaten wird tendenziell überschätzt, während die Bedeutung der innereuropäischen Nachfrage systematisch übergangen wird.
Exporte bzw. Außenhandel (Statistik Austria 2015)
mit EU‐Mitgliedsländer sind für Österreichs Unternehmen von zentraler Bedeutung. Zählt man die
europäischen Nicht‐EU Staaten hinzu wird sichtbar, dass rund 80 Prozent der Importe und Exporte in Europa anfallen.
Allerdings ist jeder Export an die ökonomische Performance der Importländer und der Wechselkurse abhängig.
Die USA sind also nicht nur insgesamt ein Handelspartner, der kaum ins Gewicht fällt, die Exporte lagen 2013 bei 5,6 Prozent sondern besonders für jene Sektoren, in denen KMU tätig sind, absolut vernachlässigbar.
Für die schwache Präsenz von KMU im Exportsektor können folgende Gründe angeführt werden:
-
Sie orientieren sich stärker auf regionale Absatzmärkte.
-
Sie verfügen über eine vergleichsweise geringe Kapitaldecke. Die Abdeckung der erhöhten
Risiken im Außenhandel wird deshalb als problematisch eingeschätzt.
-
Sie haben strukturell eine begrenzte Ressourcenausstattung (juristische Expertise, Logistik,
Vertrieb, internationale personale Vernetzung, Übersetzungsbedarf etc.).
-
Viele KMU arbeiten hoch spezialisiert fokussiert auf lokale Marktbedingungen und optimie‐
ren ihre Performance unter Ausnutzung spezifischer Nischenvorteile.
Zu erwarten ist daher, dass sich der bisher an Qualität orientierte Wettbewerb tendenziell zu ei‐
nem vorwiegend an Preis und Quantität ausgerichteten Wettbewerb transformier.
Zusammenfassend ergibt sich folgender Befund:
1. Die prognostizierten Gewinne sind nach den vier untersuchten Studien als gering zu be‐
zeichnen (BSP +0,3 bis + 1,3 Prozent), verteilt auf einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren. Das
sind lediglich 0,015 bis 0,13 Prozent pro Jahr.
2. Da auch ohne TTIP die durchschnittlichen Zölle lediglich bei etwa 5 Prozent liegen, ließen
sich, 80 Prozent der genannten möglichen Zugewinne nur bei der politisch schwierigen Zusammenspiels von Produktionsstandards, industriellen Normen und staatlichen Gesetzen realisieren lassen.
3. Die Folgekosten von TTIP führten zu einem Einnahmeverlust der öffentlichen Hand durch den Wegfall der Zolleinnahmen (europaweit 2,6 Milliarden Euro p. a.).
Schwer wiegt auch, dass die gesamtgesellschaftliche Kosten einer Deregulierungen in keiner objektiven Bilanz aufscheinen.
Soweit mögliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den Studien überhaupt untersucht
werden, ist zu konstatieren, dass sie befristete negative Effekte nicht ausschließen, diese
aber nicht beziffern. Es wird von ca. 0,4 bis 1,1 Millionen wegfallender Arbeitsplätze durch
Verlagerungen und Umstrukturierungen ausgegangen. Gleichwohl werden die dadurch zu
erwartenden Folgekosten (Arbeitslosenhilfe: 5 bis 14 Milliarden Euro; Steuereinbußen
durch Erwerbslosigkeit: 4 bis 10 Milliarden Euro) wiederum nicht bilanziert.
Die durch angepasste Standards im TTIP‐Raum realisierbaren Gewinne
könnten durch veränderte Exportbedingungen und Handelsverlagerungen im Verkehr mit
Drittländer wieder neutralisiert werden.
Zudem entstünde neben den Zugewinnen im Handel zwischen der EU und den USA ein gleichzeitiger Rückgang in den jeweiligen Binnenmärkten.
Davon auszugehen, dass im Fall der Vereinigung zweier hocheffizienter Wirtschaftsräume keine
Arbeitsplätze wegfallen werden, ist naiv:
In den USA gingen in den ersten zehn Jahren von NAFTA etwa eine Million Arbeitsplätze verloren!
6 Millionen kleine Maisbauern den Lebensunterhalt durch subventionierten Billigmais aus USA!
Aber auch in USA sind etwa 170.000 kleinere Farmen untergegangen!
Das so etwas auch mit unseren kleinen Landwirten passiert ist nicht fix aber möglich.
Und die Annahme, dass in einem regionalen Markt generierte Konzerngewinne automatisch als
produktive Reinvestitionen in den gleichen Markt zurückfließen, ist in diesen globalen Zeiten
ebenfalls naiv.
Es ist bedauerlich, dass sich die überwiegende Zahl der österreichischen Industrie‐ und Wirt‐
schaftskammervertreterInnen dazu hergibt, dieses manipulative Spiel der EU‐Kommission mitzu‐
spielen. Statt kritischer Abschätzung der tatsächlichen Chancen und Risiken für KMU, deren Inte‐
ressenvertreter sie eigentlich sein sollten, beteiligen sich diese Institutionen einseitig an einem
Projekt, dessen Folgen sich tatsächlich schwer abschätzen lassen. Bisher wurde seitens dieser Insti‐
tutionen (insbesondere der Wirtschaftskammer, aber auch des Wirtschaftsministeriums) noch kei‐
ne Studie in Auftrag gegeben, die neben den möglichen Chancen für die österreichische Wirtschaft
und KMU auch die möglichen Risiken für die heimische Wirtschaft in den Blick nimmt. Handelsab‐
kommen beinhalten eben nicht nur Exportchancen sondern mitunter auch erhebliche Importrisi‐
ken für all jene Unternehmen, die auf den lokalen oder EU‐Markt hin orientiert sind.
TTIP ist vor allem auch ein machtpolitisches Instrument.
Mit dem Prestigeprojekt der „größten Freihandelszone der Erde“ will die Kommission ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Da die Möglichkeiten der Politik nachhaltig für Beschäftigung zu sorgen äußerst beschränkt sind, dient TTIP als ein Projekt zur Darstellung arbeitsmarktpolitischer Kompetenz. Da niemand die ganze Tragweite dieser Entscheidung vorhersehen kann der Versuch einen Wachstums‐ und Beschäftigungsmotor mit diesem Freihandelsabkommen zu bekommen nur als das „Prinzips Hoffnung“ verstanden werden.
Solche Symbolpolitik nützt weder der Wirtschaft und schon gar nicht den 20,7 Millionen KMUs in Europa.
Auszüge aus dem Attac Bericht, „ Was bedeutet TTIP für kleinere und mittlere Unternehmen?“
den ich voll und ganz unterschreibe!! EJ